Menü
© Pexels / Suvan Chowdhury

14.12.2020

Die Vorweihnachtszeit ist eine Zeit der Besinnung und der Reflexion. Und das zurückliegende Jahr 2020 hatte es in sich: Abstandsregeln statt After- Hour, Homeoffice statt House-Partys. Nach einem ersten europaweiten Lockdown im Frühjahr gab es einen etwas lockereren, milderen Sommer. Nun, zur Zeit der Veröffentlichung dieses Textes, befinden wir uns wieder in einem Lockdown mit dem Zusatz „light“.

Und weiterhin kämpfte die Berliner Kulturgemeinschaft – wie in den vergangenen acht Monaten – mit aller Kraft und Kreativität dafür, dass das kulturelle und musikalische Leben der Stadt weitergehen kann. Und zwar online – mit tollen Initiativen, motivierten Künstler*innen und hungrigen Kulturbegeisterten. In dieser besinnlichen Jahreszeit wollen wir die Monate nochmal Revue passieren lassen und somit einen besonderen Jahresrückblick 2020 präsentieren.

Die Zukunftsorientierten

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Zahlreiche Konferenzen und Messen mussten von Veranstalter*innen ins nächste Jahr verschoben werden. Mit neuen Strategien und ausgefeilten Hygienekonzepten nehmen die Verantwortlichen das Messejahr 2021 optimistisch ins Visier. Die Superbooth meldet sich ab Frühjahr 2021 sowohl mit ihrem Originalkonzept, einer Handelsmesse für elektronische Musik, als auch mit SOOPERgrail, einer Messe für Gitarren-Fans, zurück. Auch die re:publica, die mit „rpRemote“ dieses Jahr erstmalig online und kostenlos stattfand, will im Mai 2021 mit einer Konferenz zum Thema „Digitalisierung“ wieder durchstarten. Die Organisator*innen der Loop haben sich hingegen entschieden, auch die Veranstaltung für das kommende Jahr abzusagen. Laut offiziellem Statement sei eine sichere Durchführung derzeit nicht zu gewährleisten. Dennoch arbeiten die Macher*innen der Loop konsequent an neuen digitalen Formaten der Begegnung und des Ideenaustauschs, in denen Kreative die Musik der Zukunft gestalten.
Für ihre Sorgfalt, das Verantwortungsbewusstsein und die Weitsicht im Hinblick auf die baldige Rückkehr von Großveranstaltungen haben Berlins Eventplaner*innen eine lobende Erwähnung absolut verdient.

Die Macher

Eine Konferenz, die im November erfolgreich stattfinden konnte, war die Most Wanted: Music 2020 (MW:M). Die Veranstalter*innen schafften es, über 30 Talks, Workshops, Fragerunden und Panels mit über 80 internationalen Speakern komplett online durchzuführen. Aus der Location Alten Münze in den digitalen Raum gesendet, schuf die siebte MW:M eine Verzahnung von on- und offline, die in die Zeit passte. Lösungen für die Krise waren dann auch die dominierenden Themen der Konferenz. Auf dem Timetable standen Diskussionen zum Support des kreativen Sektors, zu Bezahlmethoden der Streamingplattformen, zur Rolle der Musik in Zeiten der Klimakrise und gesellschaftlichen Veränderungen sowie zum Umdenken von Live-Performance-Konzepten durch die Nutzung neuer Technologien, um Musiker*innen zu unterstützen.
Mit einem Live-Showcase am letzten Tag der MW:M wurde aber nicht nur über Musik geredet, sondern auch Musik gemacht. 24 internationale Performances wurden ausgestrahlt, live aus der Alten Münze in Berlin, aus anderen deutschen Städten und aus Ländern wie Kanada, Luxemburg und Ungarn. Zudem wurden auch die fünften „listen to berlin: Awards“ vergeben, mit denen die diverse Musikszene zelebriert wurde. Dieses Jahr speziell mit dabei der „Business Prize“, welcher an die Solidaritätsplattform „United We Stream“ ging, und deren innovativen Umgang zur Hilfe der Berliner Clubszene gebührend zu würdigte.

Die Vorreiter

Apropos United We Stream: Zusammen mit Culture Cast beweist die Streamingplattform, dass wir dank kreativer Lösungen auch in Zukunft nicht auf Musik verzichten müssen. Beide sind mit voller Power auch im Lockdown „light“ wieder am Start und unterstützen mit Konzerten nicht nur Künstler*innen und Clubs, sondern auch wohltätige Projekte wie „Sea Watch“, die „Obdachlosenhilfe Berlin“ oder den „Tierschutzverein für Berlin“. Ursprünglich als Spendenkampagne für die Berliner Clubs konzipiert, ist aus der Streaming-Initiative „United We Stream“ eine globale Kulturplattform entstanden, die weltweit bereits mehr als 1,5 Millionen Euro Spenden einspielen konnte. Sie macht sich für den Erhalt der Clubkultur stark und auf die gefährdete Situation aufmerksam. Genreübergreifende Kulturformate werden aus wechselnden Kulturstandorten angeboten und konnten somit bereits 40 Millionen Besucher*innen anziehen.
Ebenfalls erfolgreich mit seinem Konzept ist das Berliner Kollektiv „Culture Cast“, das sich als Teil der Club- und Konzertkultur der Hauptstadt versteht und live aus dem Astra Kulturhaus Konzerte in die heimischen Wohnzimmer bringt.

Der Newcomer

Unter den Streamingplattformen gilt Berlin (a)live wohl als der Newbie. Aus der Zusammenarbeit der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa und 3pc ist eine Solidaritätsplattform entstanden, auf der Künstler*innen Livestreams veröffentlichen und dafür finanziell unterstützt werden können. Von Wohnzimmerkonzerten, DJ-Sets und Online- Vernissagen über Live-Lesungen bis hin zur klassischen Oper – alles ist erlaubt. Ganz gleich ob Laie oder Profi, jede*r ist herzlich eingeladen, mitzumachen. So entsteht ein kulturelles Nebeneinander unterschiedlichster Formate. „Berlin (a)live“ ermöglicht Kulturschaffenden und Kulturbegeisterten Vernetzung und den kurzen Ausbruch aus der sozialen Isolation. Als eine alternative Bühne für Kulturaustausch, die es Zuschauer*innen und Künstler*innen erlaubt, die Sorgen unserer Zeit zumindest kurzzeitig auszublenden.

Insgesamt können wir also hoffnungsvoll ins neue Jahr starten. Mit unbändiger Kreativität, pragmatischer Lösungsorientierung und großer Eigeninitiative ist in der Musik- und Kulturszene vieles machbar. Trotzdem sind Künstler*innen, Veranstalter*innen, Clubbesitzer*innen und jene, die hinter den Kulissen stehen, z.B. Licht-, Bühnen- und Tontechniker, nach wie vor dringend auf Unterstützung angewiesen. Die gesamte Branche ächzt unter den notwendigen Einschränkungen. Pünktlich zu Weihnachten hätten wir einen Tipp, wie diese Unterstützung aussehen könnte: Verschenkt Tickets für Konzerte und Events, für eure Lieblingsveranstaltungen oder - künstler. Verschenkt Merch, Soli-Tickets oder Live-Stream-Abende. Damit schafft ihr gemeinsame Erlebnisse, bewahrt die diverse Berliner Kulturlandschaft und helft denen, die es gerade dringend brauchen. Auf ein besseres 2021.